Alice Rohrwacher Buch und Regie

Alice Rohrwacher wurde 1981 in Fiesole in Italien geboren und hat in Turin und Lissabon studiert. Sie hat als Musikerin und als Dokumentarfilmerin gearbeitet. Ihr erster Film CORPO CELESTE, der 2011 in der Sektion »Qinzaine des realisateurs« lief, war danach auf den Festivals Sundance, New York, London, Rio und Tokyo zu sehen und lief in Amerika, England und Frankreich.

Filmografie

Le Meraviglie 2014 (Buch und Regie), Corpo celeste 2011 (Buch und Regie), Checosamanca 2006 (Buch), Un piccolo spettacolo 2005 (Buch und Kamera)

Alice Rohrwacher über den Film

Ein Märchen

LAND DER WUNDER ist ein Film, der vom Landleben erzählt und von der besonderen Liebe zwischen einem Vater und seinen Töchtern. Er handelt aber auch von fehlenden Söhnen, von Tieren und von kleinen Leuten, die im Fernsehen wohnen. Es ist ein Film, in dem man den Dialekt aus Viterbo spricht, aber die Charaktere auch mal auf Französisch oder Deutsch antworten, wenn sie sauer sind. LAND DER WUNDER ist auch ein Märchen.

Autobiografisches

Der Film spielt in der Region, aus der ich komme, unter meinen Landsleuten: meine Heimat ist die Landschaft an der Grenze zwischen Umbrien, Latium und der Toskana. Und Bienen sind die Insekten, die ich am besten kenne. Ich weiß auch eine Menge über multikulturelle Familien, nicht nur aufgrund meiner eigenen deutsch-italienischen Familie, sondern weil es davon viele in meiner Region gibt. Aber abgesehen davon sind weder die Geschichte noch die Figuren autobiografisch. Sie sind mir nur vertraut. Ich wollte über eine erstgeborene Tochter sprechen und war natürlich sehr von meiner Schwester Alba inspiriert und wie ich sie in meiner Kindheit gesehen habe.

Aber ich denke, dass ich mich ziemlich gelangweilt hätte, nur autobiografisch zu arbeiten. Wegen all der Dinge, die ich über die menschliche Natur außerhalb von mir entdecken möchte. Wenn man ein Drehbuch schreibt, ist es notwendig, Charaktere zu erfinden, die für Jahre Bestand haben und deine Fantasie beflügeln. Es ist besser für meine Charaktere, wenn sie mir unbekannt sind und ich sie erfinde und erst nach und nach entdecke. Ich bevorzuge das Gefühl, ständig etwas Neues zu erfinden. Das ist sehr anregend für mich.

Der erste Impuls

Es kommt immer der Moment, in dem dich jemand fragt, woher du kommst. Ich würde gerne mit nur einem Wort wie »Rom!« oder »Mailand!« antworten. Stattdessen muss ich erklären, dass ich aus einer Grenzregion zwischen Umbrien, Latium und der Toskana komme – vom Land, wo die regionalen Identitäten erschüttert sind. Vielleicht kennt mein Gesprächspartner diese Orte sogar. »Natürlich«, sagt er mir dann sicher, »ich war vergangenen Sonntag in Civita und mir kam es vor als hätte ich einen Tag im Mittelalter verbracht«.

Genau das war der erste Impuls, der mich dazu gebracht hat, an LAND DER WUNDER zu arbeiten: das Unbehagen, das man hat, wenn man an das Land denkt. Und die kleinen Orte dort, die man sich als »reine« Orte außerhalb der Zeit vorstellt, und die man genießt, weil sie sich niemals ändern können. Aber näher betrachtet sind diese Orte gar nicht so, wie man denkt. Und die scheinbare Reinheit ist nur ein Gefängnis, dem man sich ausliefert, um jeden Tag eine warme Mahlzeit zu haben.

Bienen & Honig

Ich kenne mich sehr gut mit Bienen aus, weil ich eine Weile in der Honigproduktion gearbeitet habe. Ich bewundere sie und es war nicht leicht, die Versicherungsgesellschaften davon zu überzeugen, dass während der Dreharbeiten nichts Schlimmes passieren kann. Aber ich habe darauf bestanden mit echten Bienen zu drehen. Es war mir wichtig, das Gefühl einzufangen, das nur entsteht, wenn man mit echten Bienenstöcken und -schwärmen arbeitet. Ganz ohne Spezialeffekte. Die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, war viel Vorbereitung. Ich erinnere mich, dass die Eltern von Maria Alexandra Lungu (die Gelsomina in LAND DER WUNDER spielt) sehr glücklich über die Rolle ihrer Tochter waren. Sie sagten, wenn der Film nicht zustande käme, hätte ihre Tochter wenigstens die Fähigkeiten eines Imkers erworben!